Die Werbung ist voll davon: Bunte Bilder, fröhliche Lieder und allerlei bekannte Comichelden wollen unserem Nachwuchs spezielle Kinderlebensmittel schmackhaft machen. Doch was ist dran – und vor allem was ist drin in diesen Lebensmitteln? Ein genauer Blick auf die Zutatenliste kann helfen, erfordert aber heutzutage ein wenig Zusatzwissen. Gäbe es denn Alternativen, die für die Gesundheit unserer Kinder besser wären?
Was sind „Kinderlebensmittel“?
Dazu muss man wissen, dass es im deutschen Lebensmittelrecht diesen Begriff nicht gibt. In der Diät-Verordnung ist lediglich geregelt, was für „Kleinkinderlebensmittel“ von ein bis drei Jahren eingehalten werden muss und für Säuglingsnahrung.
Allerdings geht es hier vor allem um strenge Grenzwerte für Schadstoffe und bestimmte Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Farb- oder Süßstoffe.
Um den Begriff etwas plastischer zu machen hat das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund schon 2003 praxistaugliche Merkmale erarbeitet, um Kinderlebensmittel klar zu erkennen.
Demnach handelt es sich um ein Kinderlebensmittel, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- Die Aufschrift „für Kinder“ oder „Kids“
- Eine entsprechend auffällige Gestaltung der Verpackung, zum Beispiel mit Comicfiguren
- Eine spezielle Formgebung des Produktes, zum Beispiel als Tier- oder Comicfigur
- Kinder ansprechende Beigaben wie Aufkleber, Sammelbilder oder Spielfiguren
- Speziell an Kinder gerichtete Werbung oder entsprechende Internetauftritte der Hersteller
Psychologie und Markt
Zunächst möchte ich ganz kurz die Frage aufwerfen, warum es überhaupt einen Markt für Kinderlebensmittel gibt. Meint es die Lebensmittelindustrie hier einfach nur gut mit uns und unseren Kindern? Leider nein, es geht hier, natürlich, ums Geschäft.
Nach einer Untersuchung des Bankhauses JP Morgan ist die Gewinnspanne bei Frühstücksflocken etwa 5-mal so hoch wie bei Obst und Gemüse. Bei Softdrinks ist sie etwa 4-mal so hoch und bei Süßwaren dreimal so hoch. Und weil sich Eltern heutzutage mit dem Nein-sagen immer schwerer tun, lohnt es sich für die Industrie, die Kinder zu locken.
Für mehr Aufmerksamkeit sorgte die Organisation Foodwatch, indem sie seit 2009 den „goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge des Jahres verleiht.
Nachdem Danone mit seinem Zuckerjoghurt Actimel die „Ehre“ hatte, als erster Preisträger 2009 ausgezeichnet zu werden, folgten seitdem nur noch sogenannte Kinderlebensmittel.
So erhielt 2017 Alete den Zuschlag für seine „Kinderkekse“. Alete bezeichnet den zu einem Viertel aus Zucker bestehenden Keks als „babygerecht“ und empfiehlt ihn ab dem achten Lebensmonat. Beim Babynahrungsspezialisten bezieht sich der Begriff „babygerecht“ allerdings nicht auf die kariesfördernden Inhaltsstoffe. Sie haben eine eigene Definition von babygerecht auf der Verpackung: die Kekse passen gut in die kleinen Babyhände zum Selberknabbern.
Sehr viel Zucker, viel Fett
Die Analyse der meisten Kinderlebensmittel fällt entsprechend ernüchternd bis erschreckend aus. Kinderlebensmittel schmecken häufig süßer als „normale“ Lebensmittel, weil mehr Zucker in ihnen steckt. Oft ist die gesamte Zuckermenge im Produkt schwer zu erkennen, wenn mehrere Zuckerarten verarbeitet wurden wie zum Beispiel Zucker, Milchzucker, Traubenzucker, Glukosesirup oder Maltodextrin. Der Zucker steht dann im Zutatenverzeichnis auf der Verpackung nicht gleich an erster Stelle, obwohl alle Zuckerarten zusammen möglicherweise den größten Gewichtsanteil ausmachen. Über die Nachteile von zu viel Zucker bei Kindern haben wir hier schon einen Artikel veröffentlicht.
Auch beim Fett entsprechen viele Kinderlebensmittel nicht den Vorstellungen für eine ausgewogene Ernährung.
Produkte, die beispielsweise als kleine Pausenmahlzeit beworben werden, bestehen etwa aus der Hälfte des Tagesbedarfs an Fett für ein Kind. Noch schlimmer ist, dass der der Anteil an ungünstigen, gesättigten Fetten überwiegt. Vielfach verwenden die Hersteller „gehärtete“ und „teilweise gehärtete“ Fette und Öle, in denen vermehrt gesundheitsschädigende Transfettsäuren vorkommen. Bei häufigem Verzehr kann dadurch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und die Zuckerkrankheit ansteigen.
„gesunde Vitamine naschen“
Der Zusatz von einzelnen Vitaminen zu Frühstücksflocken oder Süßigkeiten soll wohl hauptsächlich das Gewissen der Eltern beruhigen. Einen gesunden Effekt haben sie nicht. Wie wir auch schon mehrfach dargestellt haben, bringt es nichts für die Gesundheit, einzelne Vitamine einzunehmen. Der gesunde Effekt der Vitalstoffe kommt durch ihre natürliche Mischung.
Im Obst und Gemüse kommen immer sehr viele verschiedene Vitalstoffe gemeinsam mit sekundären Pflanzenstoffen vor. Das ist es, was den gesunden Effekt macht. Kinder sollen ihre Vitalstoffe aus einer gesunden Ernährung beziehen und nicht schon früh das Gefühl bekommen, Süßigkeiten wären was Gutes. Kinderlebensmittel sollten eine Ausnahme bleiben.
Der Schabel-auf-Tipp:
Vereinbart feste Regeln zu Hause. Das wird helfen, das Thema „Süßes“ nicht zum Dauerbrenner werden zu lassen. Etwa einmal am Tag eine kleine Menge (insgesamt eine Kinder-Hand voll) Süßes nach Wahl sollte in Ordnung sein.
Zusammenfassung
- Kinder brauchen keine speziellen Lebensmittel. Den größten Nutzen davon haben die Hersteller. Da klingelt die Kasse ganz gewaltig. Kinderlebensmittel sind teuer und viel zu oft ungesund.
- Auf den Verpackungen befindet sich eine Nährwertkennzeichnung, die auch über den in den Lebensmitteln enthaltenen Zucker Auskunft gibt. Gerade weil immer noch versucht wird, die ungesunden Anteile zu verschleiern, solltet Ihr genau drauf schauen.
- Den Versprechungen der Werbebranche solltet Ihr natürlich kritisch gegenüber stehen. Selten will die Industrie euch was Gutes tun.
- Kinder können mit normalen Lebensmitteln gesund und ausgewogen ernährt werden, ohne dass sie mit einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Produkte verzehren müssten.
- Eine natürliche, moderat dosierte Vitalstoffergänzung ist empfehlenswert, sollte aber aus Lebensmitteln hergestellt sein.
- Eine entspannte Atmosphäre zu Hause bei gemeinsamen Mahlzeiten, ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von günstigen Essgewohnheiten.
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